Baltikumtour 2005
Unseren Urlaub starteten wir dieses Jahr vom RMT, dem Reise Motorradtreffen, im Westerwald. Am Sonntag dem 4 Juni packten wir unsere Sachen zusammen, verabschiedeten uns von allen bekannten Gesichtern und Freunden und machten uns auf den Weg durch den Westerwald Richtung Norden. Von der Sonne nicht gerade verwöhnt erreichten wir am Abend das Uhlenköpper Camp bei Celle. Im Dorfkrug stimmten wir uns mit Tschechischem Bier und gutem Essen auf den bevorstehenden Urlaub ein.
Uelzen-Dannenberg-Karstädt-Putlitz-Meyenburg-Plau am See
Nach der ersten Nacht unter freiem Himmel ging es weiter Richtung Elbe. Von einem Aussichtsturm bei Gorleben hatten wir einen herrlichen Rundumblick über die Elblandschaft. Zum Glück hatten wir Montag. Da die Strecke zum Aussichtsturm einige schöne Kurven beinhaltete war sie prompt für Motorradfahrer an Wochenenden und Feiertagen gesperrt. Mit einer kleinen Fähre überquerten wir die Elbe und gelangten über viele kleine Nebenstraßen zum Plauer See in McPomm. Auch hier war der Zeltplatz wie ausgestorben, die Saison hatte halt noch nicht begonnen, außer für die Mücken , die waren schon da. In der Nacht hatte es kräftig gewittert und am Morgen lachte wieder die Sonne in unser Zelt.
Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg ein paar Offroadstrecken zu finden. Am Anfang fand ich nicht so den rechten Einstieg aber als wir dann die ersten unbefestigten Straßen und Wege unter den Rädern hatten gab es fast kein Ende mehr. Als Wessi bekommt man schon manchmal das Gefühl illegal unterwegs zu sein wenn man mitten durch die schönen Wälder und entlang der Seen fährt. Man vermutet hinter jeden Baum den Oberförster mit Gewehr im Anschlag. An einer Fischräucherei machten wir Rast und ließen uns den geräucherten einheimischen Fisch schmecken. Fürs Abendessen wurde direkt noch eine Portion mitgenommen.
Plauer See, Streelitzer Seenplatte, Anklam, Wolgast, Peenemünde, Ahlbeck, Kamminke, Usedom, Ueckermünde
Es ist 9Uhr als wir auf den Motorrädern sitzen und die Sonne strahlt in vollen Zügen. Über km-lange Alleen geht es durch das Streelitzer Seengebiet vorbei an Neubrandenburg , Anklam und Wolgast nach Peenemünde. Hier schaue ich mir das Historisch Technische Museum an. Neben alten Militärflugzeugen, einer V2 die draußen im Grünen steht und einem Blick in das Kraftwerk gibt es hier nicht so viel zu sehen. In den unzähligen Räumen des Museums gibt es Unmengen von Tafeln mit alten Fotos und Texten. Ich habe mir irgendwie etwas mehr von dem Museum versprochen. Auf stundenlanges Lesen hatte ich keine Lust, zumal es auch ziemlich heiß war. Also ging es bald weiter an die Ostseeküste. Die Badeorte an der Küste machen einen richtig mondänen Eindruck. Die alten Holzhäuser sind prachtvoll restauriert und erstrahlen in ihrem alten Glanz, entsprechend ist auch das Preisniveau. Zum Anschauen ganz schön aber nicht zum Wohlfühlen. Das ist nicht unsere (Schickimicki) Welt. Hier ist alles auf Tourismus eingestellt. Kurz vor der polnischen Grenze biegen wir nach Süden zum Stettiner Haff ab. In Kamminke wollen wir mit der in der Karte eingezeichneten Fähre nach Ueckermünde übersetzen. In Kamminke angekommen stellt sich die Fährverbindung jedoch als reine Personenfähre heraus. Wir dösen noch eine ganze Zeit auf einer Parkbank am Ufer des Haffs in der Sonne, ehe wir uns aufraffen können weiterzufahren. In Karnin schauen wir uns noch die Überreste einer alten Eisenbahnhubbrücke an. Auch dieses Bauwerk hat den 2. Weltkrieg nicht überlebt. In der Nähe von Ueckermünde finden wir dann einen Zeltplatz.
Ueckermünde, Stettin, Reval
Der Grenzübertritt nach Polen verläuft reibungslos und ohne Wartezeit. In Stettin irren wir einige Zeit umher ehe wir in der vom Reiseführer angepriesenen Altstadt landen. Wir schauen uns ein paar restaurierte Häuser an und sind etwas enttäuscht.In einem kleinen Straßencafe essen wir lecker und lassen uns von der Sonne verwöhnen. Am Nachmittag verlassen wir Stettin Richtung Ostseeküste. Wir benutzen für ca 100km die breit ausgebaute Europastraße und bekommen hier den ersten Vorgeschmack der polnischen Fahrweise. Es wird auf Teufel komm raus überholt, koste es was es wolle. Man muss permanent in den Rückspiegel schauen um zu sehen was sich hinter einem abspielt. Ist links kein Platz zum Überholen wird es halt auch mal rechts versucht. Bevor wir an der Küste, in der Nähe von Reval, einen kleinen Zeltplatz finden, müssen wir noch fürs Abendessen einkaufen. In den kleinen Dörfern macht das richtig Spaß. Es gibt (noch) keine Supermärkte à la Penny, Aldi und Lidl. Hier versorgt man sich noch oft aus dem kleinen Tante Emma Laden. Die Auswahl ist nicht riesig aber der Grundbedarf kann immer gedeckt werden.
Kolobrzeg, Koszalin, Polanov, Bytow, Jasiem, Kartuzy
Das schöne Wetter ist vorbei. Den ganzen Tag fahren wir durch eine nebelige graue Landschaft. In einem Supermarkt mache ich die erste Bekanntschaft mit der originalen Krakauer Wurst. Wir sind heute noch gute Freunde. Im Reiseführer wurde noch ein kleines Dorf, Jasiem, erwähnt, das es zu Besuchen lohnt, jedoch konnten wir diesen Tipp überhaupt nicht nachvollziehen. Wir konnten hier nichts lohnenswertes entdecken. Auf einem Minizeltplatz an einem kleinen See fanden wir unser Nachtquartier. Mehr als ein Plumpsklo gab es hier nicht. Zum Glück haben wir immer genug Wasser dabei, denn auch dieses gab es hier nicht, aber was will man schon für 0 Euro verlangen. Am Abend wurde direkt neben unserem Zelt der 50. Geburtstag eines Polen lautstark mit viel Wodka, Musik und Gesang gefeiert.
Tczew, Malbork, Stegna, Piaski, Krynica Morska
Bei herrlichstem Sonnenschein brechen wir Richtung Malbork auf um uns die Marienburg anzuschauen. Die Marienburg ist der größte Backsteinbau Europas und liegt ca.40 km südöstlich von Danzig. Die Marienburg war seit 1309 die Residenz der Hochmeister des deutschen Ordens (Kreuzritter) Hier schlägt der Tourismus wieder voll zu. Auf jedem freien qm steht irgendein Verkaufsstand und an jeder Ecke werden wir angesprochen ob wir nicht eine Führung in deutscher Sprache haben möchten. Wir haben uns schon gefragt ob wir auf unserer Stirn dick und fett „Wir sind Deutsche“ stehen haben. Der Besuch dieser gewaltigen Festungsanlage lohnt auf jeden Fall. Unsere größte Sorge bei solchen Besichtigungstouren war am Anfangs immer das sichere Parken der Motorräder. Aber wo es Touristen gibt, findet man auch immer bewachte Parkplätze und wir sind damit immer gut gefahren bzw.geparkt. Die Motorräder bekamen immer einen Extraplatz direkt unter den Augen der Bewacher. Von Malbork aus sind wir an die Küste gefahren. Hier gibt es eine ähnliche Landzunge, die Mierzeja Wislana, wie die Kurische Nehrung. In der Mitte dieser Landzunge befindet sich die Polnisch-Russische Grenze. Die Straße dorthin endet an dieser Stelle völlig unspektakulär. Keine Grenze, keine Schlagbäume, keine Soldaten, einfach nichts. Im Reiseführer werden vor allem die Wanderer gewarnt nicht zu weit zu laufen, da der Grenzverlauf nicht überall gekennzeichnet ist und schon so manch einer auf der „anderen Seite“ eine böse Überraschung (Knast) erlebt hat. Wir kehren um und finden unser Nachtquartier auf dem Zeltplatz Nr.171. Hier erinnert nur der Name an den Osten. Der Zeltplatz ist absolut Top. Alles neu gebaut und erstklassige Sanitäre Anlagen.
Elblag-Morag-Dobre Miasto-Mragowo-Mikolajki(Nikolaiken)
Nr.171 verließen wir gegen 11 Uhr. Heute stehen die Schiffshebeanlagen am Elblag(Oberland)Kanal auf dem Programm. Diese, nur mit Wasserkraft betriebenen Hebeanlagen, wurden vor 130 Jahren von einem deutschen Ingenieur entwickelt und gebaut und sind in der Lage Lasten bis zu einem Gewicht von 70T zu heben, bzw. über die Rollberge zu ziehen. Auf einer Strecke von 80 km kann der Oberlandkanal mit einem Passagierboot befahren werden. Die Fahrtzeit beträgt 10 Std. und mit den Hebeanlagen wird ein Höhenunterschied von gut 100 Metern überwunden. Dieses technische Highlight sollte man sich unbedingt ansehen. An der Funktion und Bedienung der gesamten Anlage hat sich seit über 100 Jahren nichts geändert. Nachdem wir den ganzen Tag über schönstes Wetter hatten, gerieten wir 50 km vor Nikolaiken in ein richtiges Unwetter. Innerhalb kürzester Zeit sank die Temperatur um 10 Grad und es goss in Strömen. Kurz vor Nikolaiken dann das absolute Verkehrschaos. Irgendeine Internationale Ralleyveranstaltung war zu Ende und tausende waren auf dem Rückweg. 10 km nördlich von Nikolaiken sind wir direkt an einem See auf einem ADAC Campingplatz gelandet. Hier war alles fest in deutscher Wohnmobilistenhand. An den nächsten beiden Tagen unternahmen wir von hier aus ein paar Tagestouren zu den Zielen in der Umgebung.
Wallfahrtskirche „Heilige Linde“, Wolfsschanze
Es ist Montag der 13.06. Bei strahlend blauem Himmel machen wir uns auf zur Wallfahrtskirche Swieta Lipka „Heilige Linde“ im Grenzgebiet zw. dem Ermland und Masuren. Die vielen Touristen kommen nicht nur aus religiösen Gründen sondern auch aus Musikalischen. Täglich finden in der barocken Basilika Konzerte auf der mit 4000 Orgelpfeiffen bestückten Orgel statt. Das Highlight sind jedoch die vielen aus Holz geschnitzten Figuren, die sich dank einer komplizierten Mechanik, zur Musik bewegen. Nach dem Orgelkonzert fuhren wir weiter Richtung Wolfsschanze. Größer hätte der Kontrast kaum sein können. 10 km nordöstlich von Ketrzyn liegt mitten im Wald Hitlers ehemaliges Hauptquartier in Ostpreußen. Die im Wald versteckten Bunkeranlagen locken jährlich 200.000 Besucher an. Es ist schon Wahnsinn, wenn man sieht, was dort an Beton verbaut wurde. Wir hielten es hier nicht sehr lange aus, nicht wegen der doch bedrückenden Stimmung, als vielmehr wegen der uns auffressenden Mücken. Am Abend ließen wir uns in Nikolaiken noch kulinarisch verwöhnen. Es gab eine leckere Forelle für Sabine und ich bekam endlich die lang ersehnte Ente.
Nikolaiken, Mauerwald, Wegorzewo, Camp08
Heute sind wir viel gefahren, aber weit gekommen sind wir nicht. Zuerst steuerten wir Mamerki „Mauerwald“ an. Hier befand sich im 2.Weltkrieg die Bunkerstadt des Heeres. Ist die Wolfsschanze mit ca 80 Bunkern schon recht groß, steht hier eine Anlage mit fast 200 Bunkern und Schuppen. Die Anlage, die beim Rückzug der Deutschen Armee nicht gesprengt wurde, ist noch in recht gutem Zustand und kann mit Hilfe eines Plans besichtigt werden. (Taschenlampe nicht vergessen !!) Jetzt hatten wir erstmal genug von Kultur und Geschichte und widmeten uns wieder ganz dem Biken. Über viele Offroad km fuhren wir kreuz und quer durch die Landschaft und landeten am Abend in einem „Pensjonat“, wo wir unser Zelt mal wieder an einem See aufstellen konnten.
Olecko, Goldap, Gusov, Cernjahovsk(Insterburg), Polessk
Bevor wir in Goldap die Grenze zur Russischen Föderation überschreiten, füllen wir nochmal unseren Proviant und die Wasservorräte auf. Der Grenzübertritt lief ziemlich problemlos ab. Nach ca. 2 Stunden und viel Papierkram hatten wir es geschafft. Über Gusov und Cemjahovsk steuerten wir über kleine Nebenstraßen Polessk an. Die Straßen außerhalb der Städte waren in gutem Zustand, in den Städten war jedoch Slalomfahren angesagt. Schlaglöcher, so groß, dass ein 21“Vorderrad locker bis zur Hälfte versunken wäre oder fehlende Gullideckel, usw. Straßenschilder konnten wir in den Städten überhaupt keine finden. Die Suche nach einem Nachtquartier entpuppte sich dann als Problem. Ein Zeltplatz irgendwo in der Pampa war nicht zu finden. Alles sumpfiges Gebiet und neben den Straßen gab es immer einen tiefen Graben. Aber irgendwie geht’s immer weiter. Kurz vor Polessk versuchten wir ein Schild zu entziffern und wurden dabei von einem gut deutsch sprechendem Russen angesprochen. Er beschrieb uns den Weg zum „Forsthaus“ in Sosnovka. Ziemlich abgelegen fanden wir diesen alten Herrensitz, der heute als Hotelanlage hauptsächlich für deutsche Touristen dient. Wir durften dort unser Zelt im Park aufschlagen und auch die sanitären Einrichtungen nutzen. 500 Rubel (ca. 15 Euro) hat der Spaß gekostet, nicht gerade ein Schnäppchen.
Sosnovka, Polessk, Svetlogorsk, Pionerskij, Nidda
Am Morgen verließen wir aus mückentechnischen Gründen fluchtartig das Forsthaus. Das Frühstück gab es diesmal ganz unromantisch irgendwo an der Hauptstraße. Unser heutiges Ziel waren die Badeorte an der Ostseeküste. Hier soll es noch sehr viel alte Bausubstanz zu sehen geben. In Pionerskij versuchten wir von der Hauptstraße abzubiegen um in die Altstadt zu gelangen, jedoch waren alle abgehenden Straßen für den Verkehr gesperrt. Die Verbotsschilder wurden aber von allen Verkehrsteilnehmern ignoriert und so beschlossen wir dies auch zu tun. Nach ca. 100 Metern war die Fahrt dann zu Ende. Wir hatten uns die Straße ausgesucht in der auch das Polizeigebäude stand. Eine Holzkelle zwang uns zum anhalten. Der Polizist versuchte vergeblich mit mir zu reden während Sabine unauffällig ihr Portemonnaie leerte und das Geld versteckte. Nach ca. 5 Minuten Palaver saß ich im Polizeiwagen und bekam ein Heftchen mit Verkehrsschildern vorgelegt, natürlich erkannte ich das Verbotsschild wieder, auf das der Polizist deutete. Er füllte derweil ein Formular mit meinen Fahrzeug und Personendaten aus, natürlich alles in Kyrillisch und ich sollte das auch noch unterschreiben, was ich aber ablehnte. Das einzige für mich verständliche Wort war Strafamandata. Ich versuchte durch Handzeichen zu erfahren was es denn nun kostet aber er wollte kein Geld haben. Schließlich unterschrieb ich den Zettel und schon war alles geregelt. Ich durfte den Polizeiwagen verlassen, wir bekamen den Weg durch die gesperrte Straße erklärt und fuhren davon. Das muss Rußland sein. In Zelenogradsk fuhren wir dann auf die Kurische Nehrung um die Russische Föderation Richtung Litauen zu verlassen. Im Reiseführer hatten wir gelesen, dass wir auch auf der Russischen Seite eine Gebühr zu bezahlen hatten um die Kurische Nehrung befahren zu dürfen, aber mit 1000 Rubeln hatten wir nicht gerechnet. Nach langen hartnäckigen Verhandlungen einigte ich mich mit der Frau am Schalter auf 35US$, Euro’s wollte sie nicht haben. An der Grenze nach Litauen wurde ich von den Russischen Grenzern noch gefragt ob es sich bei meinen großen Aluboxen um Spritkanister handelt, kein Wunder bei einem Spritpreis von 50 Cent pro Liter. In Nidda fanden wir einen sehr schönen Zeltplatz direkt an den großen Dünen. An den nächsten 2 Tagen waren wir hauptsächlich zu Fuß unterwegs. Wir spazierten durch die herrliche Dünenlandschaft, bummelten am Strand entlang und ließen es uns in der sehr gut erhaltenen und restaurierten Altstadt von Nidda gut gehen. Unsere Campingküche blieb für 2 Tage kalt.
Klaipeda, Zemaitigos Nationalpark
Die ganze Nacht über hat es kräftig geschüttet und so kamen wir erst gegen 12 Uhr, nachdem es langsam aufgehört hat zu regnen, weiter. Kurz vor Klaipeda gibt es auf der Nehrung noch eine große Kormoransiedlung zu besichtigen. 100.000de von Kormoranen verursachen einen ziemlichen Krach und mächtigen Gestank. Ich war lange damit beschäftigt einige von Ihnen abzuschießen, natürlich nur mit dem Tele. In Klaipeda besorgten wir uns im Hafen die Tickets für die Rückfahrt und in einem Supermarkt wurde nochmal der Proviant aufgefüllt. Nach vielen km über kleinste, zum größten Teil geschotterten Straßen, landeten wir am Abend im Zemaitigos Nationalpark am Platelisee. Schönstes Sonnenwetter, klares Wasser, keine Mücken und der Badespaß konnte beginnen. In dem kleinen Yachthafen, ganz in der Nähe, gab es am abendsLachs, Steak und ein paar leckere Bierchen und alles für nur ca. 15 Euro.
Siauliai(Schaufen), Berg der Kreuze, Radviliskis, Krekenava, Kaunas,Trakai
Am nächsten Morgen sprach uns ein isländischer Rucksacktourist an, der sein Zelt im Wald stehen hatte, und berichtete über seine Erlebnisse in Litauen. Er wurde innerhalb von 2 Wochen 3 mal ausgeraubt und musste nach dem 3. Raub sogar barfuß in die nächste Stadt laufen um sich neue Schuhe zu kaufen. Nach den bisher guten Erfahrungen ließ uns das wieder ein wenig nachdenklicher werden. Unser erstes Ziel an diesem sonnigen Tag ist der Berg der Kreuze, in der Nähe von Siauliai. Hier werden seit Urzeiten von den Menschen, durch Aufstellen eines Kreuzes, mystische Opfer dargebracht. Auch mehrmalige Versuche verschiedener Machthaber, diesen Ort zu vernichten, schlugen fehl. Immer wieder wurden neue Kreuze aufgestellt. Es sollen heute ca. 15.000 größere und über 40.000 kleinere Kreuze hier stehen. Eines der größeren Kreuze ließ der Papst 1993 bei seinem Besuch dieser Wallfahrtsstätte aufstellen. Auch als Nichtkirchgänger überkommt einen hier ein merkwürdiges Gefühl, wenn man durch die kleinen, nur durch die Kreuze entstandenen, schmalen, Gänge über den Berg schlendert. Trotz der vielen Touristen ist es sehr ruhig hier. Über staubige Pisten geht es weiter Richtung Kaunas. Den in der Karte eingezeichneten Zeltplatz konnten wir nicht finden, so suchten wir uns wieder ein schönes Plätzchen an einem See. Wir waren nicht die ersten, die Mücken waren auch schon wieder da. Am nächsten Morgen war die erste Reparatur fällig. An Sabine’s F hatte sich die Krümmerdichtung komplett verabschiedet und das Motorrad machte einen ziemlichen Krach. In einer MAN Werkstatt in Kaunas wurde ich im Ersatzteillager fündig. Eine dicke Messingbüchse wurde zurechtgeschnitzt und einfach in den Spalt am Krümmer eingetrieben, das hielt für den Rest der Reise. In Trakai schauten wir uns noch das große Wasserschloss an und schlenderten anschließend noch an den Verkaufsständen am Ufer entlang.
Daugavpils, Wallfahrtskirche Aglona, Gulbene
Nachdem wir den geografischen Mittelpunk Europas passiert hatten fuhren wir über viele kleine Nebenstraßen durch den hügeligen Aukstaitigos Nationalpark Richtung Grenze nach Lettland. Bei einem Bauern auf der Wiese fanden wir für diese Nacht ein geeignetes, aber völlig überteuertes Nachtquartier. Bei der Frage nach dem Übernachtungspreis ließ ich mich am Abend immer wieder abwimmeln. Selber Schuld, dass ich am Morgen dann die Quittung dafür bekam. 10 Euro für Plumpsklo und Trinkwasser aus einem merkwürdigen Brunnen. In Aglona besuchten wir die Wallfahrtskirche. Leider war die Kirche wegen Renovierungsarbeiten geschlossen und wir mussten uns mit dem Äußeren zufrieden geben. In Gulbene sahen wir uns noch den Bahnhof mit der Schmalspurbahn an, die auch heute noch regelmäßig verkehrt. Auf der Such nach einem Nachtquartier landeten wir wieder mitten in der Pampas an einem herrlichen See. Alleine waren wir aber nicht. Ein paar Jugendliche stimmten sich hier schon auf das bevorstehende Jannifest (Sonnenwendfeier) mit reichlich Alkohol ein. Wir lernten dabei Peter kennen, der in Lettland studiert und in Riga jobt um sein Studium zu finanzieren. Er spricht recht gut Englisch, so dass wir etwas über Land und Leute von ihm erfahren können. Es war noch ein netter Abend am Lagerfeuer.
Pühajärv, Vörtsjärv, Soomaarahvuspark, Haapsalu, Virtsu, Pootsi
Vor dem Frühstück am nächsten Morgen nehmen wir noch ein Bad im See, einfach herrlich. Um die Mittagszeit herum passieren wir die Grenze nach Estland und treffen kurz dahinter noch einen polnischen AT Fahrer mit seiner, von ihm umbenannten, Paprika Twin. Am Pühajärv (Heiligensee), dem laut Reiseführer schönstem Seengebiet in Estland, trennen sich unsere Wege wieder. Am Nordzipfel des Vörtsjärv (Wirzsee) finden wir einen Platz für unser Zelt. Von Idylle und Ruhe keine Spur. Heute ist Janni und das ganze Baltikum ist im Ausnahmezustand. Wir sind hier anscheinend in einem Jugendcamp o.Ä. gelandet. Es stehen überall Zelte und aufgemotzte Autos herum aus denen in voller Lautstärke das übliche Bumm, Bumm, Bumm, zu hören ist. Im Wald entdecken wir dann später noch eine große Freilichtbühne auf der es am Abend Livemusik gibt. Trotz der vielen hundert Leute und des reichlichen Alkoholkonsums wird es ein schöner Abend. Wir lernen einige Leute kennen, mal mehr oder weniger betrunken, und haben viel Spaß mit der Kommunikation. Nach einigen Flaschen Taurus Bockbier(8%) macht mir auch das Bumm, Bumm, Bumm direkt neben unserem Zelt nichts mehr aus und ich schlafe tief und fest ein.
Auch an diesem Morgen machen wir uns wieder ohne Frühstück auf den Weg, wegen der Mücken. Wie durchqueren auf staubigen Pisten das Moorgebiet „Soomaarahruspark“. Das Wetter ist mal wieder traumhaft schön. In Haapsalu, an der Westküste Estlands, erreichen wir den nördlichsten Punkt unserer Tour. Vor dem Urlaub hatten wir noch darauf spekuliert evtl. nach St. Petersburg zu fahren, aber bei unserem gemütlichen Tempo und den vielen Abstechern auf dieser Tour, hatte sich das schnell erledigt. Es sollte ja auch Urlaub sein und keine Hatz. Haapsalu ist ein muss für Eisenbahnfreunde. Ein wunderschöner alter, kpl. restaurierter, Bahnhof aus Holz mit den dazugehörigen Dampflokomotiven. Der Bahnhof wurde eigens für den Zarenbesuch 1906 gebaut, heute dient er nur noch als Museum.
Pärnu, Gauja Nationalpark, Sigulda, Riga, Kolkasraas, Ventspils
An der Küste geht es weiter bis Pärnu und wir überqueren bei Ainazi die Grenze nach Lettland. Ca. 80 km vor Riga finden wir einen schönen kleinen Zeltplatz im Wald, mit Grillstelle und fließend Wasser, für 1 Euro die Nacht. Am Abend schmeißen wir den Grill an und testen die verschiedenen Würstchen, die wir unterwegs eingekauft hatten, auf ihre Grilltauglichkeit. Eine Sorte flog uns beim grillen fast um die Ohren, eine andere löste sich fast kpl. auf. Nur die sogenannten Frankfurter hielten sich tapfer und waren genießbar. Es geht doch nichts über ein kulinarisches Abenteuer. Das Zelt ließen wir am nächsten Tag stehen und machten eine Tagestour in den wunderschönen Gaujas Nationalpark. In der Nähe von Sigulda thront über dem Tal der Gauja die Burg von Turaida. Auf dem Burggelände ist auch ein Figurenpark mit übergroßen Steinfiguren zu besichtigen, sehr lohnenswert. Die 4 Euro für die Übernachtung klebten wir am Morgen in einer Papiertüte an die Bürotür. Die Altstadt von Riga war miserabel ausgeschildert aber dank GPS irrten wir nicht allzu lang umher. Direkt vor der Oper stellten wir die Motorräder auf einem bewachten Stellplatz ab. Vom 70 Meter hohen Kirchturm der Petraikirche hat man einen herrlichen Rundumblick über Riga. Für das Fotografieren der großen Orgel in der Kirche musste extra bezahlt werden. Das die Orgel aber kpl. eingerüstet war, wird einem natürlich nicht gesagt. Wir bummeln den ganzen Tag in der Altstadt herum und sind begeistert von der restaurierten Bausubstanz. Die großen Markthallen von Riga sind auch ein absolutes Muss. Was wir aber auch hier nicht zu kaufen bekamen (wie im ganzen Baltikum) war frischer Fisch, ansonsten gibt es hier alles was das Herz begehrt. Vom Kirchturm aus hatten wir die Markthallen anfangs noch für den Hauptbahnhof gehalten. Am Abend verlassen wir Riga und finden an der Küste, in der Nähe von Abragciems, einen nagelneu eingerichteten Zeltplatz. In der Nacht fing es kräftig an zu Gewittern. Zum Glück gab es eine überdachte Veranda unter der wir am Morgen unser „Frühstücksbuffet“ aufbauen konnten. Ein Pärchen, das mit dem Fahrrad unterwegs war, und in der Nacht wortwörtlich abgesoffen ist, betrachtete neidvoll was wir alles aus unseren Alukoffern zauberten. Kurz vor der Abfahrt fetteten wir nochmal unsere Ketten, da wir laut Straßenkarte für heute keine Piste mehr zu erwarten hatten. In Kolkasraas erreichten wir den Zipfel der Halbinsel und machten noch einen kleinen Strandbummel. Das Wetter war mittlerweile wieder zur Höchstform aufgelaufen. Da wir mit frisch gefetteten Ketten unterwegs waren endete hier natürlich auch mal wieder der Asphalt. Über dieses „Spielchen“ haben wir uns schon öfter im Urlaub amüsiert. Nach Kette fetten kommt immer eine Schotterpiste. Gut 50km ging es auf einer breiten, teilweise ziemlich matschigen Piste, bis Ventspils. In Ventspils füllten wir nochmal unseren Proviant auf und in der Pizzeria im Supermarkt gab es für kleines Geld eine richtig gute Pizza. Auf der Küstenstraße geht es weiter Richtung Süden bis Jurkalne. Auf einem Zeltplatz, direkt an der mehrere km langen Steilküste, schlugen wir unser Zelt auf. Ein langer Spaziergang an der Küste und ein leckeres Essen, dass Sabine mal wieder aus der Bordküche zauberte, sorgten für einen schönen Urlaubsabschluß. Dies war unsere letzte Nacht unter baltischem Himmel.
Am letzten Tag fuhren wir die Küstenstraße entlang bis Klaipeda und warteten bei strahlendem Sonnenschein im Hafen auf unseren Dampfer, der uns zurück bringen soll nach Kiel. Wie nicht anders zu erwarten erreichen wir Kiel bei kaltem und grauem Regenwetter. Gegen 22Uhr, so in der Höhe von Osnabrück, meint dann auch noch eines meiner Hinterradlager sich verabschieden zu müssen. Ich kann mich gerade noch auf einen Autohof retten. Zufällig ist ein passendes Radlager in meinem Werkzeugfundus. Mit Hilfe des ADAC wechseln wir das völlig zerbröselte Lager und sind froh als wir gegen 3 Uhr morgens endlich zu Hause sind.
Fazit: Jörn
Es war ein erholsamer Urlaub. Viel Ruhe, Natur und Einsamkeit. Wer mit dem Zelt unterwegs ist und Luxus erwartet, sollte besser zu Hause bleiben. Es gibt nur wenige Zeltplätze die halbwegs westlichen Standard erreichen. Uns reichte alle paar Tage mal eine warme Dusche. Auf den wenigsten Campingplätzen gab es eine Restauration, Selbstversorgung ist hier angesagt. Zu kaufen gibt es alles, fast rund um die Uhr und an jedem Tag. In jedem kleinen Dorf gibt es einen „Tante Emma Laden“ und das Einkaufen macht da noch richtig Spaß. Wir haben uns zu keiner Zeit unsicher gefühlt und haben auch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Am meisten wurden wir von den Polen vor ihren eigenen Landsleuten gewarnt. Das Baltikum war eine Reise wert, wir sind sehr viel Offroad gefahren, und haben die Einsamkeit und Freiheit genossen aber nochmal Baltikum, wahrscheinlich nicht. Vielleicht bin ich auch schon zu verwöhnt 😉
Fazit: Sabine
Jörns Fazit kann ich mich nur anschließen. Die Schotterpisten waren klasse! Was mir ein wenig bei dem Motorradurlaub gefehlt hat, waren Berge und Kurven. Aber das Baltikum ist nun mal ziemlich flach. Man fühlte sich ein wenig zurückversetzt in die “gute alte Zeit”. Auf dem Land wird noch sehr viel in Handarbeit erledigt. Wenn das Geld für einen Traktor oder gar für ein Pferd nicht reicht, dann wird auch mal die Frau vor den Pflug gespannt. Die Leute leben nicht in dem Reichtum, den wir hier haben, trotzdem oder gerade deswegen habe ich den Eindruck, dass die Menschen glücklicher und zufriedener sind als hier zu Lande. Mal sehen, wo es als nächstes hin geht, um die Welt zu erfahren.
Ein dickes Danke geht an Jörn, dafür, dass er die meiste Zeit vor gefahren ist, die schönsten Straßen gefunden hat(dafür hab ich gerne mal ein wenig Staub geschluckt ;-)), die Bilder zusammengestellt und den Text verfasst hat.